Kniebeuge – Ultimativer Guide vom Profi

Die Kniebeuge, das dynamische Hinhocken und Aufstehen – eine Bewegung die wir im Laufe der Zeit verlernen.
Die tiefe Hocke stellt für ein Kleinkind aufgrund der anatomischen Verhältnisse und der noch nicht komplett ausgebildeten bzw. weicheren passiveren Strukturen eine spielend leichte Aufgabe dar.
Im Erwachsenenalter fällt die Tiefkniebeuge vielen Menschen sehr schwer. Oftmals spielen hier Fehlhaltungen, mangelnde Mobilisation und Flexibilität eine Rolle. Mit diesem Beitrag möchte ich dir Tipps an die Hand geben, wie du deine Kniebeuge-Ausführung verbessern kannst.

INHALT DES ARTIKELS

Die Kniebeuge ist als Positions-, Bewegungs- und Kraftübung von grundlegender Bedeutung für das olympische Gewichtheben. Eine gut entwickelte und konsistente Beuge sind elementar für die Zugtechnik und die Zugkraft und somit für ein erfolgreiches Ausführen der beiden Teildisziplinen Reißen und Stoßen.

■ Kniebeuge hinten (Back Squat, high-bar)

■ Kniebeuge vorn (Front Squat)

■ Reißkniebeuge (Snatch Balance)

Die Reißkniebeuge dient neben dem Training der Überkopfkraft und dem direkten Transfer zum Reißen auch einem genauen Technikcheck. Durch die dynamische Ganzkörperbewegung der Reißkniebeuge können über- und unteraktive Muskeln genau erkannt und die Bewegung durch Korrekturübungen verbessert werden.

Die richtige Ausführung von Back Squats:
  • Schiebe die Ellbogen unter die Hantelstange und aktiviere den oberen Rücken.
  • Die Ellbogenposition bestimmt die Position des Brustkorbs, sprich die aufrechte Position der Brustwirbelsäule. Halte die Ellbogen unter der Langhantel für einen aufrechteren Torso.
  • Beginne mit einer Kniebeugung!
  • Schiebe die Knie aktiv nach vorne. Dies stellt einen guten Übertrag auf die athletische Performance für einen Gewichtheber dar – da die Hüftaktivierung eine Vorneigung provoziert.
  • Achte auf eine kontrollierte exzentrische (ablassende) Bewegungsausführung.
  • Der ablassende Teil der Bewegung ist primär für Muskel- und Kraftaufbau verantwortlich.
Aktivierte Muskeln der Frontkniebeuge

Im Gegensatz zum Back Squat stellt der Front Squat einen hervorragenden Indikator für die Ganzkörperkraft dar. Aufgrund der Hantelposition wird die vordere Kette, sprich Rumpf und Quadrizeps mehr aktiviert. Dadurch ist auch eine aufrechtere tiefe Hocke möglich und der untere Rücken wird entlastet. Zur Stabilisation ist bei der Frontkniebeuge ein starker oberer Rücken (Trapezius und   Rhomboideus) erforderlich, was wiederum in vielen Fällen einen limitierenden Faktor bei der Haltekraft darstellt. Wenn du merken solltest, dass der obere Rücken abrundet, solltest du ihn gezielt mit Übungen wie Facepulls, Rudern oder Klimmzügen stärken.

Generell gilt, bei Kniebeuge hinten können höhere Lasten bewegt werden, da es eine weniger spezifische Übung ist als Kniebeuge vorn. Mit Back Squats werden ausschließlich die Beine trainiert, wohingegen die Frontkniebeuge auch die Schultern und Handgelenke belastet. Die Technik beim Back Squat ist also deutlich einfacher, da die Hantel auf dem Rücken platziert wird und nicht in einer frontalen Position gehalten werden muss. Dies führt zu einem größeren Kraftoutput.

Als Richtwert gilt: Das 1RM im Front Squat sollte ca. 75 – 85% des 1RM im Back Squat betragen.

Wobei 1RM das One-Repetition Maximum (Einwiederholungsmaximum) beschreibt und für das maximale Gewicht steht, das eine Person nur einmal in einem definierten Bewegungsbereich absolvieren kann.

Wenn also dein 1RM hinten 150 kg beträgt, solltest du in der Lage sein 127 kg vorne zu beugen. Ist der Front Squat deutlich schwächer als der Back Squat liegt beispielsweise eine Abschwächung der Quadrizepsmuskeln vor.

Mythos: Tief beugen (kleiner 90°) ist schädlich

Wenn die Beugung bei einem Kniewinkel von 90° abgebremst wird, wirken höhere Scherkräfte auf das Kniegelenk als bei einer Fortsetzung der Bewegung in die tiefe Hockposition. Beim rechten Winkel im Kniegelenk hat der Lasthebel, also der Oberschenkel mit dem Widerstand (was in diesem Fall dein Körpergewicht plus die Zusatzlast darstellt), den größten Abstand zum Drehpunkt (Kniegelenk) und dadurch das größte Drehmoment. Der Anpressdruck der Patellasehne ist in dieser Stelle am stärksten und stellt dementsprechend die am wenigsten optimale Position des Bewegungsablaufs dar.

Das Verletzungsrisiko ist also bei einer Halbkniebeuge aufgrund der wirkenden Scherkräfte und der Druckbelastung deutlich höher. Der Mythos „tiefe Kniebeugen sind schädlich“ ist also falsch.

Die Kniebeuge stellt ein sehr dynamisches Bewegungsmuster dar. Nachfolgend möchte ich auf häufige Bewegungskompensationen eingehen und daraus resultierende Fehlhaltungen. Oftmals stellt nicht nur eine eingeschränkte Mobilität durch das Weichgewebe oder eine zu feste Gelenkskapsel eine Bewegungskompensation dar, sondern auch über- und unteraktive Muskeln können eine wesentliche Rolle spielen:

Tabelle: Mögliche Ursachen und Korrekturübungen bei der Kniebeuge

1. Verbessere deine Innenrotation in der Hüfte

Das Iliosakralgelenk (= das Kreuzdarmbeingelenk des Körpers) dient als Pufferzone zwischen Unterkörper und Oberkörper. Häufiges Beugen verstärkt die Kompression und reduziert die Beweglichkeit im Gelenk. Es kann hilfreich sein die Innenrotation in der Hüfte zu verbessern, um mehr Bewegung in das ISG zu bekommen. In manchen Fällen kann das ISG blockiert sein – hieraus resultieren Beinlängendifferenzen und Probleme bei der sauberen Ausführung der Kniebeuge bis hin zu Schmerzen.

2. Achte auf starke exzentrische Beinbeuger

Der Beinbeuger ist ein Hauptstabilisator des Knies und sollte vor allem in der exzentrischen Haltekraft trainiert werden. Achte zudem auf eine Ausgewogenheit zwischen Beinstrecker und Beinbeuger. Der Beinbeuger mindestens 70% der Kraft des Beinstreckers ausmachen. Dadurch wird gegen den Vorschub des Knies gearbeitet und die Kreuzbänder werden entlastet. In diesem Zusammenhang sollten die Hamstrings nicht nur linear trainiert werden, sondern auch in der Kombination Innen- und Außenrotation der Hüfte trainiert werden, um alle Anteile der Oberschenkelrückseite optimal anzusprechen.

3. Wenn du beim Kniebeugen besser werden willst – MACH KNIEBEUGEN

Keine andere Übung stretcht das Weichgewebe im Unterkörper in diesem Ausmaß und verbessert dadurch die Flexibilität. Zudem kannst du die Kniebeuge so oft wie keine andere Übung trainieren.